Dienstag, 13. April 2010

In Sanskrit den neuen IT-Shop segnen - Nur die Gäste bekommen Geschenke



Madras. Mahesh ist der jüngste von zwölf Geschwistern. Der IT-Ingenieur ist bannig stolz darauf, dass er nun seinen eigenen Computer-Laden aufmachen kann. Damit sein Geschäft so richtig in Schwung kommt, braucht er den Segen der Götter. 

Eigentlich haben wir uns die Umgebung für einen modernen IT-Shop etwas anders vorgestellt. Draußen bieten Händler Obst und Gemüse feil, kleine Läden reihen sich aneinander, die Haushaltswaren, Ayurvedische Medikamente oder Bücher in vielen indischen Sprachen und auf Englisch anbieten. Die Straße ist holprig und der Bürgersteig nur partiell vorhanden, das ständige Hupkonzert in der Rush Hour noch lauter geworden. Nachdem wir die Straße todesmutig überquert haben, steigen eine enge Treppe hoch und man bittet uns herein. Drinnen ein blitzsauberer nagelneuer Mini-Shop.

Dem Impuls, unsere Schuhe draußen zu lassen, haben wir nicht nachgegeben, denn eigentlich sollte man diese vor Betreten eines indischen Hauses ausziehen. Aber dies ist ja ein Shop. Mit viel Hallo werden wir begrüßt und wir bekommen Geschenke in die Hand gedrückt, alles was man in Deutschland eigentlich dem Gastgeber mitbringt. In Indien ist es genau umgekehrt und die Gäste erhalten Blumen oder Obstschalen geschenkt.

Auf dem Boden sitzen im Lotussitz bereits die Hauptakteure für das Ritual. Zwei Shiva-Priester sind gekommen, um die Segnungen durchzuführen. Zwischen Laserjet-Reklame und blitzenden Laptops sehen sie etwas merkwürdig aus in ihren weißen Gewändern und ihrer Gesichtsbemalung. Im täglichen Leben, so sagt man uns, seien sie ganz normale Familienväter und würden sich nur für die Zeremonien so herrichten. Mahesch berichtet, dass die Priester seit langen Jahren mit seiner Familie verbunden sind. Einer davon ist sogar sein Bruder. Ich erfahre, dass es bei den Hindus sowohl Shiva- als auch Vishnu-Anhänger gebe. So jedenfalls die grobe Aufteilung. Jede Glaubensrichtung hat ihre eigenen Tempel und Priester.

Den Segen der Eltern erbitten

Auf dem Verkaufstisch Räucherstäbchen, die in kleine Opferschalen mit Früchten stecken, am Boden eine Art Mandala aus Blüten, auf dem ein großer Leuchter aus Messing steht. Mahesh und seine Eltern zünden die Kerzen an und die Priester beginnen mit ihren Gesängen in Sanskrit, der alten indischen Sprache, die heute überwiegend nur noch bei heiligen Handlungen verwendet wird. Mahesh in modernen Jeans und Hemd singt mit.

Die Gäste schauen der Zeremonie ehrfurchtsvoll zu. Allerdings lässt sich Maheshs Geschäftspartner nicht davon abhalten, mich beiseite zu nehmen und mir einen Witz, wie er sagt, zu erzählen. Eigentlich kein Witz, sondern es sei wirklich so, grinst er. Warum fährt die Lufthansa-Crew am liebsten die Strecke Madras-USA? Auf mein Kopfschütteln meint er: "Da fliegen nur über 80jährige Inder mit, die íhre Kinder in Amerika besuchen." Und die würden auf keinen Fall irgendetwas essen, was ein Fremder zubereitet hat und nur ihr eigenes mitgebrachtes Essen zu sich nehmen. Weniger Arbeit für die Crew! Der Hintergrund ist, das Brahmanen sehr eigen damit sind, wer ihre Speisen zubereitet. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nachdem die Priester ihre Gesänge beendet haben, tragen sie eine Schale mit Feuer herum, das jeder der Anwesenden berührt. Jetzt fehlt nur noch der Segen von Maheshs Eltern. Dazu beugt er sich ehrfurchtsvoll zu den Füßen seines Vaters herunter.

Das große Business kann nun beginnen. Die ersten haben sich schon die Auslagen angeschaut und kaufen Lautsprecher oder ordern einen Laptop. Noch ein paar Geschenke an die Gäste werden verteilt und dann ist die Veranstaltung ganz schnell zu Ende. Gegen 19 Uhr ist es schon stockdunkel in Madras. Aber das Leben fängt jetzt erst so richtig an.

Text und Fotos: Senya Müller